MIMESIS Munich Doctoral Program for Literature and the Arts
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Operette als (sexuelle) Revolution

Gastvortrag von Kevin Clarke

12.12.2019 18:00  – 20:00 

Clarke neu groß

Am 12. Dezember 2019, 18-20 Uhr c.t., LMU, Hauptgebäude, Geschwister-Scholl-Platz 1, Raum M 110

Die neue Musiktheaterform „Operette" entstand um 1850 in Paris als „machtvoll-modernisierendes" Parodietheater, das etablierte soziale Normen und Musikformen als altmodisch verlachte. Dabei wurde eine sexuell befreite, emanzipierte, antirealistische, queere Gegenwelt entworfen, der die Zeitgenossen eine „entsittlichende Wirkung" attestierten, die als skandalös und gefährlich eingestuft wurde. Sie war bei bestimmten Publikumskreisen aber auch unmittelbar sensationell (kommerziell) erfolgreich. Der Vortrag untersucht, wie die Ur-Operetten von Jacques Offenbach eine (Halb)Welt spiegelten und deren Protagonisten sogar leibhaftig auf die Bühne brachten. Eine Welt, die von „anständigen" bürgerlichen Autoren und Schichten strikt gemieden wurde. In welcher Form stellen Offenbach und seine Librettisten sie dar, und was ist daran revolutionär und neuartig? Und wie wird diese „bis zum Exzess gesteigerte" Operettenwelt zurückgespiegelt in Literatur, Medien und Kunst? Warum war die Diskussion der ersten gleichgeschlechtlichen Ehe ausgerechnet in einer Operette möglich? Warum sieht man den ersten Ehebruch auf offener Bühne in einer Operette? Wie konnte Offenbach Pornografie auf der Bühne zeigen und damit an der Zensur vorbeikommen? Und wie haben spätere Generationen diese sexuell provokanten Theaterstücke aufgeführt bzw. warum nimmt die Forschung heute die vielfältigen historischen Quellen zur Ur-Operette nicht zur Kenntnis?

 

Dr. Kevin Clarke ist Musikjournalist und Operettenforscher. Seit 2006 ist er Direktor des Operetta Research Center Amsterdam. Er publizierte unter anderem The Art of Looking. The Life and Treasures of Collector Charles Leslie (2015), Welt der Operette. Glamour, Stars und Showbusiness, zusammen mit Marie-Theres Arnbom und Thomas Trabitsch (2011) und „Im Himmel spielt auch schon die Jazzband“. Emmerich Kálmán und die transatlantische Operette 1928–32 (2007).