Thesis Title
Drastische Stimmen – Dostojewskij, Céline, Cha (Arbeitstitel)
Abstract
Das vorliegende Promotionsprojekt möchte ‚drastischen‘ Stimmen auf die Spur kommen, die sich in Texten des 19., 20. und 21. Jahrhunderts formieren. Dabei sollen ausgewählte Texte Fjodor Dostojewskijs, Louis-Ferdinand Célines, Theresa Hak Kyung Chas, Uljana Wolfs und Cia Rinnes hinsichtlich wirkungsästhetischer Aspekte der ‚Stimme‘ untersucht werden. Dies beinhaltet Elemente der Dialogizität, der Montage, der Fremd- bzw. Mehrsprachigkeit und -stimmigkeit sowie bestimmte narratologische Zersetzungs- und Verflüssigungserscheinungen. Die Arbeit befragt diese Phänomene nicht nur auf ihre sprachlichen Wirkweisen hin, sondern untersucht auch die Rolle, die sie in textlichen Leerstellen bzw. narratologischen ‚blinden Flecken‘ übernehmen. Von Interesse sind also stimmliche Erscheinungen, die im Sinne einer ‚Anti-Diegesis‘ neue Formen mimetischer Darstellung innerhalb des Textes und somit auch rezeptionsästhetische Wechselwirkungen zwischen Text und Leser erzeugen.
Das Projekt versteht sich dabei als vornehmlich sprachtheoretische Auseinandersetzung mit dem Begriff der ‚Drastik‘ und dem Phänomen ‚Stimme‘, die sich im Spannungsfeld der ‚prosopopoiia‘ im Sinne Bettine Menkes, der Allegorie nach Walter Benjamin und der Katharsis als Vorgang der ‚Abfuhr‘ bewegt. Dies bezieht sich im Besonderen auf spezifisch ‚drastische‘ literarische Darstellungsweisen, die textuelle Interaktionspotentiale mit dem Leser erzeugen. Diese manifestieren sich jedoch, so eine zentrale These dieser Arbeit, nicht mehr nur innerhalb expliziter Ausdrucksformen, sondern gerade auch in einem Moment der sprachlichen Verschiebung, des ‚Nicht-Sprechens‘, des stimmlichen Aufschubs. Die ‚Drastik‘ als Phänomen vollzieht sich somit nicht im Sinne einer tatsächlichen Unmittelbarkeit, sondern vielmehr als relationaler Aushandlungsprozess von Nähe und Distanz. So entsteht ein Schauplatz neuartiger Begegnungsmechanismen zwischen Kunstwerk und Publikum.
Die Fokussierung auf Texte unterschiedlicher Genres sowie sprachlicher, politischer und zeitgeschichtlicher Hintergründe ermöglicht nicht nur eine komparatistische Perspektive, sondern auch eine Untersuchung unter Berücksichtigung eines bewusst breiten begrifflichen Vokabulars. In einer Engführung von ‚Drastik‘ und ‚Stimme‘ versucht das Projekt, Momente ‚drastischer‘ Begegnungen zwischen Text und Leser lesbar zu machen.